Aus Anlass eines Jahreswechsels.
Aus dem Augenwinkel vernahm ich die bückende Bewegung. Flink, streckte sich die Hand, und schnappte nach etwas, das am Boden lag. Aus der Wahrnehmung entsprang eine blitzartige neuronale Tätigkeit, das Registrieren, das Ausfüllen und Nachrechnen der bruchstückhaften Erscheinung. Sensation. Noch sah ich das rosa-lila Knöllchen, das sogleich vom Pflaster in der Faust der Gestalt verschwand, konnte aus hastigen, kleinen seitwärts sich windenden Bewegungen des zu der Gestalt gehörenden Kopfes etwas erahnen, eine Hypothese ableiten. Der Alltag. Es ist die kalte Jahreszeit. Jacken, Mäntel, Hauben, allerorts Verhüllendes weiten und weichen die Silhouetten jener, die unterwegs sind, bis an die Grenzen der Unkenntlichkeit auf. Individualitäten und Identitäten verschwimmen oder vereisen, je nach Gefrierpunkt. Und unter der sichtbaren Verpackung glüht es. Hat mich jemand gesehen?
Die Ecke Gumpendorferstrasse und Windmühlgasse ist keine Ecke im herkömmlichen Sinne. Da fällt zunächst einmal das Eckige als stadträumliche Formation weg. Rundungen herrschen vor. Steil fällt das letzte Stück der kleinen Gasse, macht noch eine letzte Kurve, bevor sie wie ein Wildbach in einem Fluss einmündet. Dabei öffnet sie sich, wird breit, ergiesst sich förmlich. Die Strasse wiederum ist an dieser Stelle auch ein steiler Anstieg, wenn man von Flüssen reden würde, dann wäre diese Passage eine Stromschnelle. Nun stelle man sich vor, einer sei am Weg in seine Arbeit und dieser Weg, den jener nehmen muss, ist die gegen die Flussrichtung. Er fährt mit seinem Fahrrad die Strasse lang, dann die steile Passage hoch, biegt dann rechts in jenem eleganten Bogen in die Gasse ein, setzt so den Aufstieg fort um dann gleich links in die nächste hangaufwärts führende Sackgasse einzubiegen. Umgebend prasseln noch andere Gassen den Hang hinunter, die Schadekgasse zum Beispiel, die dann gerade mal 20 Meter weiter in die Strasse mündet und so wird der Ort zu einem kleinen Knotenpunkt samt einem wohlfälligen Plätzchen. Das sonst vorherrschende Prinzip der schluchtartig verlaufenden parallelen Häuserreihen ist hier aufgebrochen, Parzellen werden teilweise in steile und spitze Winkel gezwungen, Eckgebäude nehmen grandiose Akte von stilisierter Raumbeherrschung vor: Hier bin ich. Das Apollokino, der FLAK Turm. Ich arbeite mich von unten hinauf. Jeden Tag. So wie heute. Eben bin ich damit beschäftigt, die besprochene Steigung, die die Auffahrt von Gumpendorferstrasse zu Windmühlgasse regiert, samt dem vor mir zum Stillstand gekommenen Auto, das mich eben noch eifrig überholt hatte, mit dem erwähnten Fahrrad mittels konzentrierten Pedalentritten zu passieren. Tränen, Wut, alles gut und gesund, erfüllen meine Augenhaut. Ein flinkes Bücken. Das Grau in grau. Eben diese überraschende Flinkheit.
Die Schlagzeile würde lauten: Wien, Mariahilf. Eine Frau findet zehn Euro auf der Strasse. Zugegeben, eine Zeitung, die mittels solcher Artikel um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit buhlt, wird es auf die Dauer schwer haben, sich über Wasser zu halten. Aus der subjektiven Perspektive umformuliert, würde sich das Ereignis wie folgt beschreiben: Eine mir unbekannte Frau mittleren bis reifen Alters findet vor meinen Augen einen Zehneuroschein auf der Strasse. Zunächst ist es egal ob Frau oder Mann, ob alt oder jung, die betreffende Person ist ein vom Schicksal zufällig auserwählter Repräsentant des mir fremden Individuums. Er oder sie ist zunächst genau das: fremd, mir unbekannt, es besteht keine persönliche Beziehung zu ihm oder ihr, sein oder ihr Schicksal ist vor diesem Ereignis mir gleichgültig. Hinzu aber kommt das Element der Beobachtung. Ich sehe zu, wie es sich ereignet und ich deute: Sie hat Glück. Fragen drängen sich auf. Die erste: warum nicht ich? Warum sie? Sie ist nun zehn Euro reicher, vielleicht auch glücklicher. Hintergrundmaterial: mir berichten Geschäftspartner, wie sie am Weg zu mir, in meine Werkstatt, Geld auf der Strasse gefunden haben. Das, während ich dienstbeflissen im Innenraum auf sie warte, abseits der Möglichkeit eines solchen bereichernden Zufallsfundes. Ich erlebe mich ausgeschlossen und abgetrennt. Eine Traurigkeit ereilt mich, die ich versuche von mir zu weisen oder zu besänftigen. Es ist ok. Eines Tages wirst auch du Geld auf der Strasse finden. Wer weiss, sogar einen Fünfziger. Einen schönen braunen dicken Fünfzigeuroschein. Ich wage gar nicht höher hinaus. Einen grünen Hunderter, einen gelben Zweihunderter oder einen wiederum lilafarbenen Fünfhunderter. Den gräulichen Fünfer lassen wir mal ausser Acht, genauso wie die kupfernen oder messingenen Münzen. Alltagsfunde. Ich bin ein guter Mensch. Ich arbeite für mein Geld. Zähle es zufrieden am Ende des Tages. Spiele auch so gut wie nie die Lotterie. Und wenn ich es tue, dann bin ich beruhigt, null Euro gewonnen zu haben. Gut so. So formuliere ich meine Scheuklappen gegenüber den grossen und zeitweise abrupten, sich wie eine Art von Ungerechtigkeit anmutenden, Umverteilungen in der Welt da draussen. Wie ein Traktor. Langsam und bedächtig, Furchen ziehend, bahne ich meinen Weg. Vielleicht ist es auch so, dass dies eine eigene Ästhetik hat. Vielleicht wirkt es beruhigend. Der bedächtige Mann mit seinen langsamen aber überlegten Bewegungen. Ein Uhrwerk. Voraussehbar. Ja, als ich das Kompliment einmal bekam, da wusste ich: Es wirkt auf andere beruhigend, da jenes bis an die Grenzen des Überbordenden elaborierte, im Laufe der Jahre immer weiter verfeinerte Konzert an täglichen Ritualen genau diesem Zweck dienen: mich in einer inneren Unruhe, die ich mit mir trage zu stabilisieren, zu beruhigen. So weiss ich: viel Zeit meines Tages geht darauf, die Mehrzahl meiner Tätigkeiten dienen dazu, mich zu beruhigen. Ruhe. Dem gegenüber steht die Möglichkeit der spontanen und kreativen Selbstverwirklichung, die Freude am Neuen, am Unerwarteten, am Risiko. Das wäre dann kein Traktor. So erfährt sich der Beobachter der Fundszene, spürt sich und sein Hintergrundrauschen. Das vor seinen Augen sich entfaltende Ereignis wird als ein spürbarer Kontrast zu seiner eigenen Konstitution erlebt. Gefühle machen sich breit. Jenseits der ersten Frage, die bereits gestellt wurde, ergibt sich eine weitere: Wie ist es um die Befriedigung der Finderin bestellt? Habe ich das richtig gesehen? War das eine diebische Freude? Heisst das, sie hätte gar nicht widerstehen können? Deute ich richtig, dass sie doch durch den verstohlenen Blick, links und rechts, hat mich eh keiner gesehen, eine wenn auch verkümmerte und doch nicht ganz bewusstseinsfähige Art von Schuldbewusstsein (wenn schon nicht eingestanden dann doch zumindest) kommuniziert hat? Und des weiteren: Ist dies, das so vermutete Aufkeimen des Diebischen in den kleinen Ritzen des Trottoirs des Alltages, ein Zeichen dafür, dass die Welt verkommen ist und wir, also die Menschheit en bloc, doch keine Chance gegen den zerstörerischen Vormarsch der Niedertracht haben? Sehr dramatisch, gebe ich schon zu. Aber schön langsam. Sehen wir, was hiervon eine Berechtigung haben könnte und was reine Hysterie ist. Die Hypothese lautet: Ich bin Zeuge des absolut banalsten Verbrechens geworden. Es hat sich vor meinen Augen ereignet. Die Sorte von Schandtat, die sogar von der Abenteuerlust am meisten befreiten Schicht der Gesellschaft mit Befriedigung vollführt wird. Das Hausfrauenverbrechen. Begriffen im Speziellen durch die Reduktion der Hemmschwelle auf ein Minimum, bleibt die Tat der folgenden Überkategorie zugehörig: Gemeine Aneignung eines zuvor nicht einem selbst gehörenden Wertgegenstandes durch die Ausbeutung der sich bietenden Möglichkeit. Man möge mir den Ausdruck verzeihen. Mutatis mutandis gilt genauso: das Hausmannsverbrechen oder das Verbrechen des kleinen bzw. des kleinsten Mannes.

Die Repräsentantin. Tante, Tantin. Es sei ihr gegönnt. Die Zehn Euro in Zeiten der Teuerungskrise, der Heizkostendeckel, der Teuerungsbonusse, der Inflationsabgleiche, der Zinssteigerungen und der Reallohnverluste, mögen sie ihr Gutes tun, doch etwas lindern. Der, der den Schein verloren hat, dem kann dieser ja nicht so wichtig gewesen sein. Der Schein. Ihr Schein, sie scheint, scheint etwas mehr, das Glühen in ihr, als noch eben vorher. Oder war es doch eine Frau? Verlieren Frauen auch Geldscheine? Ich weiss, es ist nicht mehr ganz einfach bzw. nicht mehr ganz ungefährlich nach Unterschieden zwischen den Geschlechtern suchen zu wollen, aber ich tue es, weil ich gerne an einer Andersartigkeit, an einer wohligen Asymmetrie glauben möchte.
Die schwarzen Stiefel sind von der schlabberigen Sorte, breite flache Fusspartie, eng an den Knöcheln und doch zugleich weit und unförmig, weiten sie sich entlang der Fesseln wie Eiscreme Stanitzel kegelförmig und faltig auf, um die Beine der Hose in einem Knuddelmuddel an Faltenwurf einzufassen. Hosenbeine verschwinden im Schlund der Stiefel, werden eingesogen, bilden schwimmreifenartige Ringe. Sie entspringen einer durch die Jahre verbreiterten Hüfte, die selbst aber durch den Überwurf des Mantels verborgen und bloss erahnbar bleibt. Der Mantel bildet die Aussenschicht, die letzte Deckphase einer unzähligen Vielfalt an wärmeisolierenden Oberkleidungsstücken, deren erst letzte Funktion die des Schmückens sein kann. Man denke an Pullover, an Strickjäckchen, an Geborgtes und Geerbtes, an Hängen- und Klebengebliebenes aus den Untiefen einer zeitbefreiten Textilindustrie. Runde Schulter, Kragen und Kapuze, Gewölbtes und Gepufftes bis zu den Ohren, dazu Halstücher und Schales, verdoppelt und verdreifacht, Kinn und Backen umspülend, lose, ein Hängen nebst dem anderen, weitere Faltenwürfe, errötetes Gewebe, spitze kleine Nase, irgendwo noch Haare dazwischen, kurz bevor alles durch eine Mütze des letzten Jahrhunderts, Helm und Krempe, gegen Sternschnuppen und Meteorschauer ebenso Schutz bietend wie vor einfallenden Einhörnern und allfällig glitzernde Bescherungen rechtens abweisend, einen Charakterpanzer aller Art vervollständigt. Die Frau von heute lässt sich nicht in die Karten blicken. Sie nimmt, weil sie kann, sie nimmt Form an, spart nicht mit Knautsch und mit Zone, wirft mit Tennisbällen um sich und nach allen und jeden, der ihr in die knausrige Quere zu kommen droht. Es kann nicht einfach sein. Alles abzulegen bedeutet sich Zeit zu nehmen, tief in die Kiste zu greifen, erledigen und erlegen, hinter fest verschlossenen Eingangstüren. Höchstens ein kleiner Wadlbeisser ist zugegen, darf dann am Rockzipfel Schutz vor den herbeigekläfften phantasierten Verfolgern ereifern. Kein Regen, kein Wind, nichts kann hier etwas anhaben, nichts ausrichten, keine Botschaft, kein Postfach, das hier einen Schlitz oder Spalt offen wäre. Farben wie Creme, wie Arbeitsblau, wie Altrosa bestimmten das Spektrum. Braun, wie eine mitteldeutsche Herstellstätte für Haushaltselektronik. Liebe steckt fest, im Detail. Das ist sie. Unsere Diebin des Alltags, eine erodierende Nagerin der allzu abstrakten Moral. Fragwürdig. Sie und die Moral. Beide. Würde man mich auf einer Wache fragen, ich würde sie nicht wieder erkennen. Einer Gegenüberstellung würde ich nach Möglichkeit aus dem Weg gehen.

Die Täterbeschreibung bietet einen Brennpunkt, dessen Orbit wir nun kurz vor dem Zustand des sich Verbrennens, Finger und was sonst, auf einer ballistischen Bahn verlassen, nun zur Genüge beschleunigt und Fahrt aufgenommen, um nun in aller Trägheit die in die Unendlichkeit der gesellschaftlichen Tragweite sich öffnende Parabel im geistigen Flug zu erfahren. Nach der Manier eines vermeintlich liebenswürdigen, weil auf eine Fahrt ohne Wiederkehr in das Weltall hinausgesandten, Erkundungssatelliten.
Flink. Wohltuende Asymmetrie. Sich bücken. Abgehen, dann Aufgehen. Sonnengleich. Aufgehen im Abgehen. Erfüllung, finden. Sie geht auf, blüht auf, in dem, dass sie abgeht. Sie geht ab, ab, tanzt, erfüllt die Bühne, füllt den Raum, mit sich, geht ab, man sieht ihr dabei zu und entwickelt das Gefühl, das sie selbstvergessen ein Stadium von reiner Energie erreicht hat und alle, die sie berührt, mit dieser ansteckt. Doch mit etwas Gutem. Flink. Kreise, Ellipsen, Parabeln und zuletzt hyperbolisch, gehalten bloss von unberührbaren Asymptoten. Sie kann genauso gut ein er sein. Denn sie ist ein Teil von ihm, eine Ergänzung, eine Erweiterung im Licht, gehalten durch Bänder und durch Fesseln, die ihn genauso an sie bindet wie sie auch an ihn gebunden erscheint. Er beobachtet während sie tanzt, während sie diesen einzigen wunderbaren, dem finalen Meisterstück einer Ballerina gleichend, Schritt ausführt. Eine Spitze etwas nach vorne, die Knöchel doch dicht aneinander, Knie gestreckt wie gebeugt, Rücken Ehrfurcht gebietend kerzengerade, zeigt sie dem Nebel der Stadt das eleganteste verstohlene Bücken, welches man sich nur vorzustellen vermag. Semiotik. Sinnhaftigkeit. Die Sirenen der Stadt heulen, bilden einen fernen Kranz, geflochten aus allen möglichen Färbungen der Aufregung. Hier ist die Poesie, hier entsteht etwas Ungesehenes, wird vor meinen steigenden Augen vollendet und zerplatzt zuletzt wie eine feige Seifenblase. Ich komme kaum vom Fleck, kann die versprochene Tragweite eben nicht bedienen. Muss erst diese Gänsehäute abschütteln. Ihre Fingerspitzen erreichen den Schein, einen verloren geglaubten Schein. Was ist wenn das jeder macht? Und was, wenn das jeder macht? Wie geht es dann weiter? Die Frage des Wachtmeisters, eine nur allzu knüppelhafte Frage, darauf bedacht, der sozialen Kohäsion zuwiderlaufend scheinende, als solche befundenen Blüten der Eigenartigkeit artgerecht zu entsorgen. Wäre ich sie, wäre ich anstatt ihr vor der rosa-lila Blüte gestanden, die so urplötzlich da war und mich nun anblinzelt, ja da würde ich jetzt bestimmt ganz anders schreiben. Deswegen kann sie keiner verurteilen. Sie tat das, was alle an ihrer statt tun würden. Die Gelegenheit am Schopf packen. Sich bereichern. Kann man sich eine Indianerkultur vorstellen, eine Form der Sozialutopie, die die Individuen so zu formen weiss, durch welche mysteriösen Knickse von Tabus und Geläut auch immer, dass diese sich eben nicht bücken und zulangen sondern doch stoisch und gerade aufrechten Ganges ihren vorbestimmten Weg gehen? Ganz unbeeindruckt? Würde so eine Kultur nicht schon längst von einer anderen weniger Skrupelverhafteten überrannt und bis zur Unkenntlichkeit geknechtet worden sein? Nimm mich, sagt der Schein. Wir hätten alle gerne Kinder, auf die wir stolz sein können.
Da lag es nun einmal. Ein gefundenes Fressen. Und so sollte es keiner zunächst einem anderen einmal übelnehmen, wenn dieser andere die Gelegenheit beim sprichwörtlichen Schopf packt. Packend. Lässt nicht los. Der Mensch, der sich im Laufe der Evolution von der Notwendigkeit des auf allen Vieren Laufens befreit hat und seine Anatomie soweit in den Griff bekommen hat, dass er nun stets griffbereit, etwas, das er begehrt einfach sich anzueignen versteht. Aneignung, ein Besitztum ausbilden, Sichtbares und Unsichtbares im Stande zu verwerten, seinen Fortbestand damit absichern sei als solches etwas Legitimes und oft sei es ein blankes Gefühl des Neides, hervorgerufen in den abgehängten anderen, die tatenlos zuzusehen gezwungen sind, das, was diese Legitimität als eine mehr oder weniger verzweifelte Ersatzaktion, in die Verlegenheit des Ankreidens treibt. Vergriffen ist nun der Schein. Im Kleinen wie im Grossen und damit auch korrumpiert der Glauben an eine vermeintlich bessere Welt. Wie steht es um die gerechte Verteilung? Wie steht es um die Brüderlichkeit? Wie steht es um Ehrlichkeit und um das Bemühen, die Dinge auf ihren richtigen Platz zu hieven, Ordnung zu schaffen? Kleinlaute Schreie, ein Quieken der Leerausgegangenen, die Kakophonie des Schmerzes findet zu genügend Kehlen um einen Chor der Aufgebrachten zu erschaffen. Du sollst nicht stehlen, du sollst weder Weib noch Gut deines Nächsten begehren, du sollst die Grenzen, die das Gute ausmachen, achten und wahren, du sollst dem Schönen eine redliche Chance bieten. Hier spricht deine Erziehung, hier spricht dein Gott, hier sprechen die Stimmen, die Grosses erschaffen wollen und die ebenso daran festhalten, dass es der Einzelne ist, der die Niedertracht in Schach halten kann, wenn er sich nur selber und sein Begehren an die richtige Leine nimmt. Einen Maulkorb seinem Ergreifen wollen aufsetzt und dabei es doch vollbringt, dem Begreifen wollen Raum zu geben. Die Gestalt der eigenen Existenz, die Form des Wirkens, die doch nicht mit exzessiver Karitativität und naiver Grosszügigkeit verschlammt werden darf, muss eine wohlfallende sein, eine, die man auch an seinem Stammtisch wie auch an seinem Sterbebett vertreten und herzeigen kann. Das bin ich. So sehe ich aus. Das habe ich genommen. Das konnte ich nehmen. Jenes habe ich gelassen. Das konnte mich nicht aus der Ruhe bringen. Dafür kann ich dankbar sein. Das hätte ich anders gemacht. Ich habe an der Ruhe und an der Ordnung, an der Stimmigkeit dieser Welt ein Stück weit, heute, die paar Jahre, mitgewirkt. Ich habe die Grenzen gesehen. Ich habe geweint. Ich habe gelacht, mitgefühlt, etwas dabei gedacht, nicht zu viel versprochen, das Meiste gehalten, auf mein Gleichgewicht geachtet, mich nicht zu ernst genommen, versucht, mir den Gedanken, ich sei der Mittelpunkt der Welt, vom Leib zu halten. So schön das auch wäre. Ich habe dieser Frau zugesehen und sie tat mir leid. Sie hatte etwas zu Fressen gefunden. Sie hat sich gebückt. Sie war erregt. Sie konnte es kaum fassen, konnte es kaum erwarten, hinterher, als die akute Gefahr der Schelte sich in einen Schatten der Vergangenheit gewandelt hatte, voll kindlichem Stolz von ihrem Fund zu berichten. Schau, ich habe heute etwas gefunden. Oder: Schau was ich heute gefunden habe! Das macht mich zu etwas besonderem. Ich bin ein Glückskind, Sonne und Mond sind mir zugewandt und tragen mich und ich brauche mir keine Sorgen zu machen. Ist das nicht schön? Findest du das nicht auch schön? Sieh mich an, freu dich mit mir! Aber wieso schaffst du das nicht? So kann ich nur zu einem Schluss kommen. Du bist nicht mein Freund! Ich habe es immer schon gewusst! So eine Gemeinheit! Bitterkeit für einen Moment. Mein Knöllchen ist aber da um mich zu trösten. Das kann mir keiner mehr nehmen. Umso lieber wird mir mein Schein.

Nun, man merkt gleich. Es ist keine leichte und einfache Sache. Einmal aus der Bahn, einmal in Unruhe versetzt, beginnt das innere Organ der Gefühlsregungen einem Wellenbecken gleich hin und her zu schwappen und es dauert seine Zeit, bis sich die Wogen wieder geglättet haben. Zu schön um wahr zu sein, wäre hier der Slogan, Verbrechen zahlen sich nicht aus. Ausser das mythische perfekte Verbrechen, jenes eben schon. Kann das beschriebene Ergreifen eines unbeaufsichtigten Zehneuro Scheins überhaupt als Verbrechen gehandelt werden? Verlierer und Gewinner gibt es schliesslich auch abseits der Register der Strafprozessordnung, also ist Verlieren und Gewinnen an und für sich noch nichts Illegales.
Hier greift der Staat. Wir sehen zwar kein Eingreifen im real erlebbaren Sinne, das Greifen sei von der Qualität eher wie die plötzlich einsetzende Ahnung über einen zunächst verborgen gewesenen Maschinenteil innerhalb eines produktiven Gefüges. Ein Crescendo. In dem Moment, als die Kabine des Aufzuges die kritische Geschwindigkeit im Zuge des durch den Riss der Trägerkabel verursachten freien Falles überschritt, kniffen die Backen der Notbremse mit zunehmender Kraft gegen die Führungsschiene, verhinderten einen unkontrollierten Aufprall der Kabine gegen den Sockel der Anlage. Die Notbremse greift im Falle eines Systemversagens. So ist das vorgesehen. Der Staat, den wir heute kennen, wurde vor langer langer Zeit ausgedacht. Es lässt sich vermuten, dass der ursprüngliche Zweck gewesen sein muss, Rechte zu wahren. Ganz allgemein. Einiges von dem kann man heute noch erahnen. Eines der ursprünglichsten Rechte jedoch, eines das aber auch wohl am ehesten Verletzungen ausgesetzt war, muss das Besitzrecht gewesen sein. Liegt in der Natur der Sache. Siehe auch die Wichtigkeit, die der Kontinuität von Landbesitz im Staatswesen beigemessen wird. Der Staat garantiert den Fortbestand der Besitzverhältnisse und sichert dadurch auch sein eigenes Überleben. Das ist das feudale Erbe des modernen Staates, der sich erst allmählich seiner von schwankenden Visionen befeuerten lenkenden Pflichten bewusst wird. Da müssen wir lang um zu überleben. Viel Widerstreben, viel Widerstand, Verschlafenes, einiges an Unlust und immer wieder Verschlafenes blubbert im Zuge dieser pubertär pickeligen, Akne verseuchten Metamorphose, die noch wohlwollend betrachtet, als ein Erwachsenwerden verbucht werden kann, hoch. Der Staat ist nicht blind, nur weil wir ihn nicht sehen oder spüren. Der Staat ist da und beginnt in bestimmten Situationen zu greifen. Der Staat ist griffbereit. Der Staat beugt vor. Beugen und greifen. Fragen der Reizschwelle. Der Staat hat es sich in den Kopf gesetzt, Bargeld auf lange Sicht aus der Erlebniswelt der Handlungssubjekte zu entfernen. Auf Scheine gedruckte oder in Münzen geprägte Wertvorstellungen werden in den Katalog der zu streichenden Möglichkeiten aufgenommen. Ein Nachdenken über Möglichkeiten. Und obwohl beide der Maxime hörig sind, den Fall mit allen verfügbaren Mitteln zu verhindern, zeigt der Staat durch die Fähigkeit einem gesellschaftlich artikulierten Prozess Raum zu geben, seine Überlegenheit gegenüber der Backenbremse des Aufzuges. Beugen und greifen, ohne zu zögern oder ohne zu haften, ungebremst, da sind wir wieder bei unserer glühenden Protagonistin, die ohne es noch zu ahnen, sich bereits in einem schwelenden Konflikt mit dem ebenfalls durch Beugung und Griffbereitschaft gezeichneten, mit entsprechenden Organen wohl ausgestatteten Machtapparates befindet. Die Mühlen mahlen langsam, in den Fängen der Bürokratie kann es schnell einsam werden. Wenn man lacht, lachen alle mit einem, wenn man weint, ist man alleine. Der Staat weiss schon warum er Geldscheine ausgemustert sehen möchte. Der Staat mag keine Zufallsfunde, mag keine Verlustanzeigen. Das alles bedeutet Verwaltungsaufwand. Ich persönlich kann den Staat bis zu einem gewissen Teil verstehen, aber gerne würde ich ihm auch von der Schönheit der glücklichen Augenblicke erzählen, ihm doch versuchen ein Stück die Augen für das wahre Leben zu öffnen.
Gerne würde ich ihm ein Lied vom Schmerz und von der Trauer über den Verlust eines Zehneuro Scheins singen um dann gleich in der nächsten Strophe von dem Glück eines entsprechend notierten Strassenfundes zu trällern. Gern würde ich auch ihr das gleiche Lied singen, vielleicht die Strophen vertauscht, aus dramaturgischen Gründen. Das Bekannte zuerst dann das, was bewusstseinsferner ist. Glück und Unglück, Drama oder Tragödie, auf jeden Fall heilsam, wirksam, fügsam, in keinster Weise wortkarg, niemals zu leise, niemals zu alt und schon gar nicht irgendeine Form der Gewalt verherrlichend. Möge sie, die gut verhüllte Gestalt, doch zum Laden gehen, Wolle für zehn Euro kaufen und daraus einen entzückenden vielleicht sogar farbenfrohen und überraschend glitzernden Schal stricken, möge sie diesen dann mir oder jemanden den sie kennt, vor die Tür legen, schön verpackt, samt Begleitbrief, auf der Matte abladen, möge dann auch keine andere Hauspartei das Paket für sich entdecken. Ich werde dann den Schal schön verknoten, aufrunden, veranlagen, auf dem Tisch am Balkon aussetzen bis dann im Frühling aus dem kleinen gelben unsichtbaren Ei in dessen Knotenmitte ein taufrischer Balkenvogel schlüpft und zwitschernd eine Lektion verkündet:
The extensive network confluent with the medial forebrain bundle (MFB) is traditionally called the “brain reward system.” In fact, this is a general-purpose appetitive motivational system that is essential for animals to acquire all resource needs for survival, and it probably helps most other emotional systems to operate effectively. It is a major source of life “energy”, sometimes called “libido.” In pure form, it provokes intense and enthusiastic exploration and appetitive anticipatory excitement/learning. When fully aroused, SEEKING fills the mind with interest and motivates organisms to effortlessly search for the things they need, crave, and desire. In humans, this system generates and sustains curiosity from the mundane to our highest intellectual pursuits.
A: Yesterday something happened behind your back. It made you dream, in a disguised form, of something that happened a long time ago. Something that also happened behind your back. But now you are no longer a child, and you discover it. Do you recall discovering something unpleasant as a child? (1)
P: What?
A: Do you recall discovering something unpleasant when you were a child? Something you told me about before?
P: I can’t think today, doctor.
A: Well, you dreamed that someone whom you ought to respect acts badly, and you discover it. That happened once before, and it disappointed you.
P: You mean my mother?
A: You see now!
P: (Nods.)
A: Listen carefully. This business about your mother hurt you more than you think it did. Every child likes to imagine that his mother doesn’t do such things, not even when she is married — especially since mothers preach at you, and tell you what is right. Then you discover that they too are human, and have faults, and don’t always act the way they talk. She is human. She isn’t bad. She is just human. She is a woman. She was probably a good wife while your father was alive, but she did not cease being a woman when your father died. That hurt you. You see it?
P: (Nods.)
(…)
A: And there is another thing too. Your wife also had intercourse behind your back… just like your mother. Hence your wife’s actions hurt you more than might have been the case otherwise, because a sore spot in you was hit twice. Do you see it?
P: (Nods.) (2)
Finden. Entdecken. Neugier. In der Welt sein. Schnüffeln. Enthusiasmus. Begeisterung. Noch mehr Neugier. Suchen. Unterwegs sein. Streunen. Da draussen. Sein. Aufregung. Abenteuer. Begehren. Nicht genau wissen. Angst nicht spüren. Wollen, suchen, tun, suchen, schnüffeln, erkunden, aufdecken, begeistert sein, sich verlaufen, sich wiederholen, sich wundern, erstaunen, feiern, ergreifen, Gelegenheiten finden, einen Schatz ausheben, eine Insel entdecken, eine Lücke finden, eine Nische, eine Krone, einen Gipfel. Noch mehr Neugier. Endlos, rastlos, unentwegt unterwegs, sein, sein, tun, suchen, tun, schnüffeln, graben, was ausprobieren, nagen, die Ohren spitzen, suchen, nicht genau wissen was, einfach nur suchen, bloss offen sein. In der Welt sein. Da draussen. Sich zeigen. Sich ausprobieren. Fragen. Tun. Die Gegend erforschen. Etwas finden. Sich trauen. Frei sein. Soweit ich es beurteilen kann, hat auch ein Traktor ein Eigenleben oder zumindest doch ein Innenleben.
Das Innenleben des Traktors beginnt bei einem archaischen Antriebsstrang. Dieser zieht sich über die gesamte Länge des Fahrzeuges von vorne, wo Luft angesaugt wird, über den mächtigen Motorblock, wo eine Reihe von Kolben ihren von Explosionen geleiteten Dienst versehen, hier wird Drehmoment erzeugt, über das Getriebe, welches das Drehmoment erst vernünftig dienstbar macht und diesen nach hinten an die Kardanwelle weitergibt, die wiederum in den wulstigen Knoten des Differentialgetriebes inmitten der gusseisernen Hinterachse, ganz frei von Manschetten, an die mächtigen Hinterräder, dessen Auftrag es ist, gross genug zu sein, um in jedem Terrain noch Traktion zu haben, verteilt. Viel Luft wird angesaugt, viel Diesel dazu gemischt, das Klackern der Ventile zur seitlich hängenden Nockenwelle, festes, erdbebenartiges Ruckeln der Schaltung, die vergleichsweise winzigen Führungsräder der Vorderachse, bloss um die Spur zu halten, bloss um vorne nicht zu einzusinken. Alles ordnet sich dem Auftrag des Ziehens unter. Es muss nicht schnell sein, aber verlässlich. Der Trieb des Traktors folgt dem Rhythmus des Ackerns.

Je mehr ich mich mit der Materie auseinandersetze, desto mehr merke ich wie sie und ich, wir uns in einem Orbit um eine bestimmte Sache befinden. Wir sind ähnlich und nicht verschieden, wie Seiten einer Medaille, wie zwei Monde eines gemeinsamen Planeten. Also in welchem Verhältnis stehen die beiden? Wie könnte man die Psychodynamik, die in diesem Aufeinanderprallen von Tante und Traktor entsteht beginnen zu entwirren? Erstens soll gemerkt sein, das was schon sehr auffällig ist, bei dem Paar handelt es sich um eine Frau und um einen Mann. Hinzu kommen die anfänglichen Beteuerungen die Geschlechterfrage betreffend. Diese, ja könnte genauso ein Mann sein, es spielt keine Rolle ob Mann oder Frau, erscheinen in der Art und Weise wie sie vorgebracht werden, wie eine Abwehrreaktion, in der ein auffällig vehementer Versuch unternommen wird, den vorliegenden Tatsachen die Signifikanz zu entziehen. Nicht ganz ohne Mitgefühl und Anerkennung wage ich die Feststellung, muss schon sagen, da, im Angesicht der Dame, plustert der gute alte Traktor ganz schön aus der eigenen Tasche.
Gleichzeitig bin ich bestrebt, meine Metaphern ernst zu nehmen. Streunen, Ackern, Bücken, Greifen. Umkreisen. Entdecken. Bei all diesem Ernstnehmen, die sich auch in den konzentrierten Versuchen einen Auslass finden wollen, die vernommenen Bewegungen und deren Gründe auszuarbeiten, lässt sich zwischen den Zeilen etwas weniger Glamouröses vernehmen, etwas, das nicht ganz wie Sand im Getriebe, eher wie ein unterschwelliger Strom erscheint, ein seltsames Bindemittel, das immer wieder dort auftaucht, wo die Zügel etwas locker liegen, wo der Trieb, der vermeintliche Anspruch, Wohlgefälliges zustande zu bringen, schöne, gekurvte Formulierungen zu gebären, die leitende und zensurierende Strenge der Aufmerksamkeit ausmanövrieren konnte. Ein Durchbruch. Dieser Unterstrom ist einem kaum vernehmbaren Gefühl geschuldet, einer Sorte von Widerwillen, Strähnen der Furcht und des Ekels, die darauf drängt, nicht zu nahe zu kommen, eine wenn auch phantasierte Nähe abzuwehren oder zu vermeiden. Bloss weg hier. Ich mag mit ihr nicht zu viel gemeinsam haben. Berührungen sind zu vermeiden, Annäherungswünsche heldenhaft zu verleugnen. Das Emblem hierfür ist ein Wetterhäuschen, jene wandmontierte kleine Schatulle mit zwei nebeneinander angeordneten Türen, zwischen denen eine verborgene senkrechte Drehachse, an der zwei den Türen zugeordnete Figuren ihren Ankerpunkt haben. Wenn das Wetter gut oder schön ist, sieht man die Frau vor der Tür und den Mann in der Versenkung des Kästchens, bei schlechtem Wetter, es ist anzunehmen, dass im Hintergrund ein Barometer den Dienst versieht, dreht sich die Frau ins Innere und der Mann lugt heraus. Entweder ist der eine oder die andere aus dem Häuschen. Wechselweise, die senkrechte Achse zwischen den beiden sorgt für eine fixierte formale Polarität. Diese Art der geschlechtlichen Vermeidung wird bei einer lang andauernden Ehe gerne, weil intuitiv auf Verständnis stossend, als eine Überdrussreaktion verbucht. Von Forschern wird wiederum vermutet, dass die Vorlage für dieses Verhalten in der Reaktivierung von ursprünglichen instinktiven Reflexen zur Inzestvermeidung zu finden ist, oder in einer anderen Weise an frühere Erfahrungen mit den selbigen gekoppelt sein wird.
Der Mensch als das entdeckende Wesen, das seine streunende, ortsungebundene Natur im Laufe seiner kulturgeschichtlichen Entwicklung bis zu einem gewissen Grad gezähmt und gegen weitere Formen des Besitzens in der Art der Ortstreue und der Sesshaftigkeit eingetauscht hat, muss seine durch Spiel- und Forschungstrieb befeuerte Ader nun in geregelteren Bahnen ausleben. Auch ich finde. Ich sehe etwas, wenn auch kein Knöllchen auf dem Boden, dann doch etwas wie ein funkelndes, verheissungsvolles Etwas im Erz, zwischen den Zeilen, zwischen den eigenen Zeilen.
Paul said: ’There is in each of us an ancient force that takes and an ancient force that gives. A man finds little difficulty facing that place within himself where the taking force dwells, but it’s almost impossible for him to see into the giving force without changing into something other than a man. For a woman, the situation is reversed.’
Jessica looked up, found Chani was staring at her while listening to Paul.
‘Do you understand me, Mother?’ Paul asked.
She could only nod.
‘These things are so ancient within us’, Paul said, ‘that they’re ground into each separate cell of our bodies. We’re shaped by such forces. You can say to yourself, ”Yes, I see how such a thing may be.” But when you look inward and confront the raw force of your own life unshielded, you see your peril. You see that this could overwhelm you. The greatest peril to the Giver is the force that takes. The greatest peril to the Taker is the force that gives. It’s as easy to be overwhelmed by giving as by taking.’ (3)
Gegensätze wie Paare und Pole haben eine strukturierende Funktion in der bewussten Erlebniswelt. Geben wie nehmen, suchen wie finden, innen wie aussen, bestimmen Vektoren, anhand deren die Erfahrung oder die Erfahrungen des Lebens kartographiert werden kann bzw. kartographiert werden können. Sie findet, während ich suche, während ich versuche mein Suchen-wollen zu verdrängen. Wer ackert, der sucht nicht. Sie findet ohne gesucht haben zu wollen, ohne sich der Suche verschrieben zu haben, sie bereichert sich und in dem Moment wird mir eine Ahnung über meine eigene Verarmung erfahren. Sie wird mir erfahren, ohne meinem Einverständnis. Für so etwas habe ich keine Begeisterung übrig. Ist etwas nicht in Ordnung, frage ich mich etwas später. Das Jahr nähert sich dem Ende, ein Fest der Freude bahnt sich an, beschenkt werden wollen, Lücken, die geblieben sind und die erfüllt werden wollen, Begehren, Ausklänge, die Freude über den Wendepunkt, über den nahenden Neubeginn. Es ist das Zeitalter der Such-Maschine.
To roam, to seek, to forage, to hoard, to order. To wonder.
Ein letztes Bild, eine andere Such-Maschine, das eines eben freigelassenen jungen Hundes auf einer Wiese, welches sich losreisst und mit freudiger Begeisterung, die so ansteckend sein kann, losrennt und links und rechts alles anschnüffelt. Bald werde ich wieder meine Bahnen ziehen, meine wohlgeformten täglichen Kreise drehen, mich in Wiederholungen und Routinen ergeben und mich fragen, an Eroberer und Abenteurer denken, an jene ungebundenen Wesen, die in vermuteter Offenheit und Unerschrockenheit den Freuden der Entdeckung nachjagen. Wie steht es mit meiner Freiheit? Welche Überraschungen und Übertretungen werde ich mir gestatten? Worüber werde ich mich in den kommenden Zeiten noch wundern und welche Gelegenheiten werde ich ergreifen? Sich wundern, sich das Wundern offenhalten als eine Möglichkeit der Entwicklung, die Schranken der eigenen Enttäuschungen, die wie Scheuklappen die Sicht verengen, versuchen aufzudehnen, eine Offenheit zurück zu erobern, eine Art der Piraterie entwickeln, die mit vorurteilsloser Freude den auf der Wiese verstreuten Möglichkeiten zu begegnen weiss, das sei das Ziel, das ich mich endlich trauen will mir auf meine Fahnen zu heften. Das Zeichen für dies Unterfangen sei eine kreisrunde, strahlende Sonne.
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References:
1 Panksepp, J. (2010). Affective neuroscience of the emotional BrainMind: evolutionary perspectives and implications for understanding depression. In: Dialogues Clin Neurosci. 2010;12(4). pp.533-45. doi: 10.31887/DCNS.2010.12.4/jpanksepp. PMID: 21319497; PMCID: PMC3181986. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3181986/
2 Devereux, G. (1951). Interview XXIX. Reality and Dream – Psychotherapy of a Plains Indian. New York, NY: International University Press. p.296.
3 Herbert, F. (1965). Dune. London: Hodder & Stoughton. ISBN 9780340960196. p. 480.